Säumniszuschläge im Sozialversicherungsrecht nur bei Vorsatz

Nach der Rechtsprechung des LSG NW (Beschluss vom 2.5.17, L 8 R 618/16 B ER) ist für die Frage der Erhebung von Säumniszuschlägen nach 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der gleiche Verschuldensmaßstab maßgeblich wie für die Frage der auf 30 Jahre verlängerten Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV.

Danach muss der Beitragspflichtige die Zahlung der Beiträge zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen haben. Dagegen reicht selbst eine grobe Fahrlässigkeit für die Erhebung der Säumniszuschläge nicht aus.

„Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).

Für die Frage, ob in diesem Sinne unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). [..]

Soweit die Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 30.11.2015 ausführt, es sei von „mindestens grober Fahrlässigkeit“ auszugehen, rechtfertigt dieser Umstand die Erhebung von Säumniszuschlägen nach den vorstehenden Erwägungen nicht.“

Da der BGH (Urteil vom 24.01.2018, 1 StR 331/17) seit neuestem die Arbeitgebereigenschaft als normatives Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 266a StGB versteht, wirkt sich ein Irrtum über den sozialversicherungsrechtlichen Status als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum aus, der nach der Rechtsprechung des LSG NW (a.a.O.) damit auch der Erhebung von Säumniszuschlägen entgegensteht.

Das Bundessozialgericht hat die Rechtsprechung des LSG NW mit Beschluss vom 14.12.2018 bestätigt (Terminsbericht des BSG):

„Kenntnis ist das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein. Ob ihr Fehlen unverschuldet ist, bestimmt sich nicht nach § 276 BGB, sondern nach einem eigenständigen Verschuldensmaßstab. Verschulden im Sinne des § 24 Abs 2 SGB IV setzt wenigstens bedingten Vorsatz voraus. Das folgt aus der Systematik des SGB IV und dem Zweck der Säumniszuschläge. § 24 Abs 2 SGB IV steht mit § 25 Abs 1 S 2 SGB IV und § 14 Abs 2 SGB IV, die an ein vorwerfbares Verhalten anknüpfen und jeweils vorsätzliches Handeln voraussetzen, in einem einheitlichen Regelungskomplex mit der Folge eines einheitlichen Haftungsmaßstabs. Auch kann der Zweck der Säumniszuschläge, Druck auf die Zahlungspflichtigen mit dem Ziel einer rechtzeitigen Beitragszahlung auszuüben und verspätete Zahlungen zu sanktionieren, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur erreicht werden, wenn der betroffene Arbeitgeber seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.“

Aber auch zuvor ging das BSG wohl davon aus, dass für die Erhebung von Säumniszuschlägen mindestens bedingter Vorsatz vorliegen müsse:

„Ob ein (mindestens bedingter) Vorsatz vorlag, entscheidet auch darüber, ob von der Beklagten (überhaupt) rechtmäßig Säumniszuschläge verlangt werden durften.“
(BSG Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 18/09 R, BeckRS 2012, 67100, beck-online)

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