BGH Urteil vom 24.1.2018 – 1 StR 331/17
Der Senat erwägt zukünftig auch die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht insgesamt als (vorsatzausschließenden) Tatbestandsirrtum zu behandeln.
Bisher hat der BGH einen Irrtum im Steuerstrafrecht anders behandelt als im Beitragsstrafrecht. Nach der so genannten Steueranspruchs-theorie führt ein (Rechts-) Irrtum des Steuerpflichtigen zur Annahme eines den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtums. Im Beitragsstrafrecht dagegen sollte eine Fehlvorstellung über den sozial-versicherungsrechtlichen Status (nur) die Schuld entfallen lassen.
Ein solcher Verbotsirrtum ist allerdings für die Frage der Strafbarkeit nur dann beachtlich, wenn der Irrtum nicht vermeidbar war. Insbesondere unter Hinweis auf die Möglichkeit, ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV durchzuführen bzw. sich überhaupt einen qualifizierten Rechtsrat einzuholen, gab es kaum Fälle, in denen das Gericht zur Annahme der „Unvermeidbarkeit“ des Irrtums gelangte. Die Verteidigung gegen den Vorwurf der Beitrags-vorenthaltung versprach damit auf subjektiver Ebene also im Bereich des Vorsatzes und der Schuld kaum Erfolg.
Nunmehr hat der BGH angekündigt beide Straftatbestände, also die Steuerhinterziehung nach § 370 AO und die Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB, hinsichtlich der Irrtumsproblematik gleich zu behandeln.
Der BGH erkennt damit an, dass es sich bei der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmereigenschaft um echte (normative) Tatbestandsmerkmale handelt.
Unterliegt der Beschuldigte einer Fehlvorstellung über den sozialversicherungsrechtlichen Status und nimmt er z.B. an, dass der Auftragnehmer eine selbstständige Tätigkeit ausübt, so fehlt ihm hinsichtlich der Beitragsvorenthaltung der für die Strafbarkeit erforderliche Vorsatz. Es kommt für die Strafbarkeit damit nicht mehr darauf an, ob der Beschuldigte einen Rechtsrat hätte einholen bzw. ein Statusfeststellungsverfahren hätte bemühen können.